Freitag, 20. Februar 2015

Viel Neues ist geschehen, heute beunruhigt und beglückt mich aber nur eines:



Das alte Auto


Gestern haben wir unser liebes, großes silbernes Auto weggebracht.
Ich habe ein bißchen geheult.

Es war zehn ereignisreiche Jahre unserer Begleiter.
Es hat uns zu unseren geliebten Picknick`s gebracht, zu Ausflügen durch blühende Rapsfelder und rote Mohnfelder, durch reife Kornfelder und große Sonnenblumenfelder, zu kleinen , vergessenen Dörfern, in denen an jedem Haus der Flieder blüht.
Es hat uns sicher durch wabernde Nebelschwaden und dunkle Nächte gefahren, durch Sommergewitter, strömenden Regen und dichtes Schneegestöber.
Es hat uns 10 Jahre jedes Pfingstfest von einem Künstleratelier zum nächsten gebracht in ganz Mecklenburg.
Es hat alle meine Quilts geladen, wenn wir damit zu Ausstellungen oder Tell und Show fuhren.
Es hat die wunderlichsten, klebrigsten, schwersten und sperrigsten Sachen in oder aus den Garten gebracht. Weil es so herrlich groß war ,passte alles problemlos hinein.

Es hat unseren Frühjahrs-, Sommer- und Winterschmuck für den großen Balkon transportiert und nicht gemotzt, wenn ein bißchen viel Erde oder Nadeln sich im Kofferraum tummelten. Ja, es hat sogar ohne Murren riesige Müllsäcke mitgenommen voll mit duftendem goldgelben Stroh oder kleine, gut zu geschnürte Müllsäcke mit Pferdeäppeln .

Es hat uns zu den Kindern , Enkel- und Urenkel , zu Nichten, Neffen und Verwandten gebracht und mich auf den Rücksitzen sanft in den Schlaf gewiegt. Es hat erlebt, wie die Enkel hinten drin saßen und von Ferien zu Ferien wuchsen und lernten, vom ersten Bla-Bla bis zu stundenlangen Gesangseinlagen und langen Geschichten im Dunkeln, anspruchsvollen Quizfragen und witzigen Rätseln, mit denen Oma und Opa verblüfft werden sollten.
Es hat uns zu den Altvordern gebracht, zur Gartenarbeit, zum Kaffee und als sie uns brauchten und hat uns auch zum letzten Weg mit Ihnen gebracht.
Es ist mit uns zu großen Ereignissen gefahren, Hochzeiten, Geburten, Familientreffen und zu vielen Sternetreffen.

Es ist mit uns spazieren gefahren durch blühenden, hoffnungsvollen Frühling, durch warme Sommer mit Grillengesang am Wegesrand, durch satten Herbst mit all den leuchtenden Blättern, durch graue Novembertage, an denen nur noch die wenigen goldenen Blätter der Birken schön sind, und rutschfrei durch strahlend weiße Winterlandschaften.

Es hat jedes Jahr unsere großen Ernten nach Hause gebracht: Eimer voller Pflaumen, Heidelbeeren, Hagebutten, Äpfel, Birnen und große Kürbisse.
Von Freunden, vom Wegesrand im Hausverkauf oder von Kürbisfesten.
Es hat sich mit uns gefreut, wenn riesige Flieder- oder Phloxsträuße auf der Kofferraumabdeckung dufteten, oder Zweige mit knallroten Vogelbeeren dort lagen.
Es hat uns zu Apfel- und Tomatenfesten gebracht und zu Trödelmärkten.

Es hat geduldig all die Wartezeiten vor der Klinik gestanden und uns immer gut nach Hause gebracht.
Es ist auch nicht eifersüchtig auf die E-Bikes gewesen, die wir uns vor 3 Jahren angeschafft haben und mit denen wir Kurztouren machen, für die wir früher unser Auto genommen haben.


Es war immer voll beladen.
Was schleppten wir nicht alles für uns mit: Karten, Literatur, Verpflegung ( für Notzeiten ), Badezeug, Zeltplanen, warme Mützen, Socken und Handschuhe ( für Notzeiten), Bestecke, Brettchen, Tüten, Schnüre....
Und dann das Werkzeug: eine komplette Ausrüstung ( für Notzeiten ).
Wir haben 5 – in Buchstaben : fünf – große Kisten heraus gepackt und dann war es noch nicht leer! Kann man alles brauchen, sagt mein Mann.
Ich weiß nicht, wie oft er gelaufen ist, um alles auszuladen?
Und all das, was jetzt vor meinem Nähtisch die gesamte Arbeitsstube füllt,
all das hat unser großes, starkes Auto immer nur so nebenbei mitgeschleppt , man weiß ja nie, sagt mein Mann!

Es hätte vielleicht öfter gewaschen und poliert werden wollen, aber.... ich nähe viel lieber....
Aber wir haben es sehr geliebt und das haben wir ihm auch viele Male gesagt. Nach kritischen Situationen (Stau, Berge, Eis und Schnee, liegengebliebene Wracks am Straßenrand ) haben wir es getätschelt. Wenn ich auch nervös wurde, unser Auto wurde es nicht! Es hatte soviel Kraft unterm Gaspedal, die mir immer ein bißchen unheimlich war, die aber das Beste war- sagt mein Mann.

Und jetzt haben wir es einfach so – nackt und leer – beim Händler stehen lassen.
Ein letztes Mal gelobt und gehen, zwei Schritte – umdrehen – gehen, drei Schritte – umdrehen – gehen, Kurve – aus – weg.
Ich habe ein bißchen geheult.

Und nun gehen wir heute Nachmittag hin und holen uns dort das neue Auto:
klein, rot, strahlend, neu – wir wir wollten.
ABER WIE KANN MAN DAS TUN ?!

Ich habe das Gefühl, ich gehe mit einem großen, treuen Hund, der ein bißchen in die Jahre gekommen ist, ein paar Wehwehchen hat und ein toller Fresser ist, aber sonst gesund und uns so ans Herz gewachsen , zum Kaufladen, sag „Sitz“ Dann gehe ich hinein und komme mit einem jungen, schicken, kleinen, der nicht so viel frisst wieder heraus und gehe mit dem nach Hause.

Hört Ihr auch das leise Winseln und Fiepen? Nein?
Ich gehe nach Hause, meine Erinnerungen bleiben dort.
Aber die Freude geht mit mir, die Vorfreude auf einen neuen Freund, mit dem ich noch viel erleben möchte.


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